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Falsche Angaben bei der Gewährung von Agrarbeihilfen

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Wird ein Betriebsinhaber von der Gewährung von Agrarbeihilfen wegen falscher Angaben über die Fläche seines Betriebs ausgeschlossen, so kann gleichwohl eine strafrechtliche Verurteilung erfolgen wegen desselben Sachverhalts.

Bei einem solchen Ausschluss von der Gewährung einer im Unionsrecht vorgesehenen Beihilfe handelt es sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion.

So die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem hier vorliegenden Fall des Herrn Bonda, der 2005 in Polen bei der Kreisstelle der Agentur für Umstrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft einen Antrag auf Gewährung einer einheitlichen Flächenzahlung für das Jahr 2005 stellte. In diesem Antrag machte er unrichtige Angaben in Bezug auf die Größe der bestellten landwirtschaftlichen Flächen und die darauf angebauten Kulturen, indem er die landwirtschaftlich genutzte Fläche mit 212,78 ha statt 113,49 ha zu groß angab. Mit Bescheid von 2006 lehnte der Leiter dieser Kreisstelle die Gewährung einer einheitlichen Flächenzahlung an Herrn Bonda für das Jahr 2005 ab und verhängte gegen ihn eine Sanktion in Gestalt des Verlusts seiner Ansprüche auf einheitliche Flächenzahlungen in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen und der angegebenen Fläche für die drei Folgejahre.

Nach der europäischen Regelung über Agrarbeihilfen werden diese Beihilfen u. a. nach Maßgabe der vom Landwirt angegebenen Fläche gezahlt (einheitliche Flächenzahlung). Wird bei Kontrollen eine Differenz zwischen der ermittelten und der vom Betriebsinhaber angegebenen Fläche von mehr als 30 % festgestellt, so wird für das betreffende Kalenderjahr keine Beihilfe gezahlt. Darüber hinaus wird der Betriebsinhaber, wenn sich die Differenz auf mehr als 50 % beläuft, auch in den auf das Kalenderjahr der Feststellung folgenden drei Kalenderjahren von der Gewährung der Beihilfe bis zu einem Betrag ausgeschlossen, der der Differenz zwischen der tatsächlichen und der angegebenen Fläche entspricht. Nach dem polnischen Strafgesetzbuch werden Personen, die in der Absicht, eine Subvention zu erlangen, ein gefälschtes oder geändertes Dokument oder ein Dokument, das unwahre oder betrügerische Angaben enthält, oder betrügerische schriftliche Erklärungen vorlegt, die Umstände von wesentlicher Bedeutung betreffen, mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Der Sad Rejonowy w Goleniowie (Rayongericht Goleniów, Polen) verurteilte Herrn Bonda mit Urteil vom 14. Juli 2009 wegen Subventionsbetrugs nach dem Strafgesetzbuch, weil er zum Zweck der Erlangung von Subventionen Tatsachen von wesentlicher Bedeutung für die Erlangung einer einheitlichen Flächenzahlung unrichtig angegeben habe. Herr Bonda wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 PLN (etwa 400 Euro) verurteilt. Gegen dieses Urteil legte Herr Bonda Berufung ein. Der mit der Kassationsbeschwerde befasste Sad Najwyzszy (Oberstes Gericht) möchte vom Gerichtshof der Europäischen Union wissen, ob Maßnahmen, die darin bestehen, einen Betriebsinhaber von der Gewährung der Beihilfe für das Jahr, in dem er falsche Angaben über die beihilfefähige Fläche gemacht hat, auszuschließen und die Beihilfe, auf die er in den drei folgenden Kalenderjahren Anspruch hätte, um einen Betrag zu kürzen, der der Differenz zwischen der angegebenen und der ermittelten Fläche entspricht, strafrechtliche Sanktionen darstellen, die nach dem in der polnischen Strafprozessordnung enthaltenen Grundsatz ne bis in idem (Verbot, zweimal wegen derselben Tat vor Gericht gestellt zu werden) jedes Strafverfahren gegen Herrn Bonda wegen desselben Sachverhalts ausschließen können.

In seiner Begründung weist der Gerichtshof der Europäischen Union auf seine bisherige Rechtsprechung hin, wonach in Regelungen der gemeinsamen Agrarpolitik vorgeschriebene Sanktionen wie der zeitweilige Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Inanspruchnahme einer Beihilferegelung keinen strafrechtlichen Charakter besitzen. Ein solcher Ausschluss dient nämlich der Bekämpfung der zahlreichen Unregelmäßigkeiten, die im Rahmen der Agrarbeihilfen begangen werden und die durch die von ihnen verursachte erhebliche Belastung des Unionshaushalts die Maßnahmen beeinträchtigen können, die die Unionsorgane auf diesem Gebiet ergriffen haben, um die Märkte zu stabilisieren, die Lebenshaltung der Landwirte zu stützen und für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt fest, dass im vorliegenden Fall die fraglichen Maßnahmen nur gegen Wirtschaftsteilnehmer, die die betreffenden Beihilfen beantragt haben, ergriffen werden können, wenn sich die zur Begründung ihres Antrags gemachten Angaben als falsch erweisen. Außerdem stellen diese Maßnahmen eine spezifische Handhabe für die Verwaltung dar, die Bestandteil einer speziellen Beihilferegelung ist und dazu dient, die ordnungsgemäße Verwaltung der öffentlichen Mittel der Union sicherzustellen.

Aufgrund dessen gelangt der Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Schluss, dass die fraglichen Maßnahmen verwaltungsrechtlicher Natur sind.

Diese Einordnung als verwaltungsrechtlich wird durch eine Prüfung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Begriff des Strafverfahrens nicht in Frage gestellt. Für die Definition dieses Begriffs sind drei Kriterien heranzuziehen. Das erste ist die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung im innerstaatlichen Recht, das zweite die Art der Zuwiderhandlung und das dritte die Art und der Schweregrad der angedrohten Sanktion:

  • Zum ersten Kriterium stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass die Maßnahmen in Gestalt des Ausschlusses eines Betriebsinhabers von der Beihilfengewährung im Unionsrecht nicht als strafrechtliche Sanktionen gelten.
  • Hinsichtlich des zweiten Kriteriums führt der Gerichtshof der Europäischen Union aus, dass diese Maßnahmen nur auf Wirtschaftsteilnehmer Anwendung finden, die die fragliche Beihilferegelung in Anspruch nehmen, und dass sie keine repressive Zielsetzung haben, sondern im Wesentlichen darauf gerichtet sind, durch den zeitweisen Ausschluss eines Beihilfeempfängers, der in seinem Beihilfeantrag unrichtige Angaben gemacht hat, die Verwaltung der Unionsmittel zu schützen. Gegen den repressiven Charakter dieser Maßnahmen spricht außerdem, dass die Kürzung des Beihilfenbetrags, der dem Betriebsinhaber in den Folgejahren des Jahres, in dem eine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde, eventuell auszuzahlen ist, voraussetzt, dass in diesen Jahren ein Antrag gestellt wird.
  • In Bezug auf das dritte Kriterium weist der Gerichtshof der Europäischen Union darauf hin, dass die im Unionsrecht vorgesehenen Sanktionen nur zur Folge haben, dass dem betreffenden Betriebsinhaber die Aussicht auf eine Beihilfe genommen wird, und dass die Kürzung des Beihilfenbetrags, der dem Betriebsinhaber in den Folgejahren des Jahres, in dem eine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde, eventuell auszuzahlen ist, voraussetzt, dass in diesen Jahren ein Antrag gestellt wird, so dass diese Sanktionen nicht strafrechtlichen Sanktionen gleichgestellt werden können.

Daher stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass solche Sanktionen nicht als strafrechtliche Sanktionen eingeordnet werden können.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 5. Juni 2012 – C-489/10, Strafverfahren gegen Lukasz Marcin Bonda


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